Überlebensstrategien von Wildtieren im Winter
Wenn die Tage kürzer werden und die Nächte kälter, setzen bei Wildtieren die Überlebensstrategien ein. Tageslänge, Temperatur und Nahrungsangebot fungieren als Auslöser für den Wechsel in den Wintermodus. Die Energie wird rationiert, bis der Winter überstanden ist und die Welt wieder erwacht. Die folgenden Abschnitte beschreiben die wichtigsten Mechanismen, die Vögel und andere Tiere im Wald nutzen, um die kalte Jahreszeit möglichst stress- und verlustfrei hinter sich zu bringen.
Die Winterruhe – Schlaf mit Fresspausen
Mit der Winterruhe wehren sich Wildtiere gegen tiefste Temperaturen und energiezehrende Witterungsbedingungen. Der Körper der Tiere arbeitet auf einer niedrigen Stoffwechselflamme. Im Herbst angefressene Fettpolster dienen als Energiereserven. Herzfrequenz und Atmung sind während der Ruhephasen herabgesetzt. Bei der Körpertemperatur zeigen sich dagegen nur geringe Unterschiede. Die Tiere ruhen in ihren Unterschlüpfen. Bewegungen sind auf ein Minimum beschränkt. Steigen die Umgebungstemperaturen an, kommt es zu Wachphasen, in denen die Nahrungsvorräte aufgesucht werden oder eine aktive Futtersuche stattfindet. Die Winterruhe ist eine Überlebensstrategie von beispielsweise Braunbären, Bibern, Dachsen, Eichhörnchen, Marderhunden und Waschbären.
Winterschlaf: Out of order bis zum Frühling
Der Winterschlaf ist für Fledermäuse, Igel, Murmeltiere oder Siebenschläfer die Art und Weise bis zum Frühling auszuharren. Die Körpertemperatur ist auf nur wenige Grad reduziert. Atmung und Herzschlag sind deutlich herabgesetzt. Das Hormonsystems der Tiere erfährt eine Umstellung, die für wochenlange Schlafphasen sorgt. Bewegungslos und kalt erscheinen Winterschläfer wie tot. Temperaturregulation und Muskelaktivität kommen zum Erliegen. Für die Lebenserhaltung sorgen die Fettreserven des Körpers.
Aufwachen – ob während des Winters oder zum Ende des Winterschlafs im Frühling – kostet viel Energie. Die Wärmeerzeugung im braunen Fettgewebe bringt die Körpertemperatur wieder in den Normalbereich. Wie oft es zu den kurzen Wachphasen im Verlauf des Winters kommt, hängt von der Tierart ab. Umgebungsfaktoren wie ein zu starkes Absinken der Temperatur oder Störungen können ein Aufwachen provozieren.
Kältestarre – Überlebensstrategie wechselwarmer Tiere
Die Aktivität wechselwarmer Tiere ist abhängig von der Umgebungstemperatur. Amphibien, Reptilien sowie Fische und Insekten fallen bei kalter Witterung in eine Kältestarre. Für drei bis sechs Monate sind die Tiere völlig hilflos. Ein selbstständiges Aufwachen bei Störungen ist nicht möglich. Erst steigende Temperaturen sorgen für die Wiederbelebung. Die Organfunktionen setzen dann wieder ein. In der Winterstarre überstehen die wilden Bewohner von Wald, Wiese oder Gewässer auch Temperaturen im Minusbereich. Erhöhte Glukose- oder Glyzerinkonzentrationen schützen die Körperflüssigkeiten vor dem Gefrieren. Länger andauernde Frostperioden können jedoch den Kältetod bedeuten, falls die Tiere sich nicht in schützenden Unterschlüpfen wie Erdlöchern, Holzspalten oder Laubhaufen befinden.
Überwinterung im Süden – der Kälte entfliegen
Per Luftlinie in den Süden, um dort den Winter zu verbringen – das bleibt den Menschen und den Zugvögeln vorbehalten. Die Vögel fliegen dabei immer dieselben Routen und legen je nach Vogelart bis zu 20.000 Kilometer zurück. Im Schwarm ist es leichter, sich den Gefahren zu widersetzen, die auf der etwa 50- bis 60-tägigen Reise lauern. Einige Arten wie der Mauersegler fliegen aber auch allein und machen sich bereits im Juli auf den Weg. Unterwegs zehren die Vögel von ihren Fettreserven. Wird die Energie knapp, legen sie Pausen ein, die der Nahrungsaufnahme und dem Ausruhen dienen. Ziele der Zugvögel sind beispielsweise Südeuropa wie Frankreich und Spanien, Zentral- und Südafrika oder Neuseeland.
Vogelarten, die dem Winter nicht entfliehen, nutzen andere Überlebensstrategien. Um die Körpertemperatur, die bei Vögeln bis zu 42 °C beträgt, in der kalten Jahreszeit aufrechtzuerhalten, ist eine kontinuierliche Energiezufuhr nötig. Insektenfressende Vögel stellen ihren Speiseplan daher in den Wintermonaten auf Sämereien, Nüsse, Beeren und Früchte um. Das Aufplustern des Gefieders ist eine weitere Strategie, die den Wärmeverlust minimiert. Während der Nächte, wenn die Vögel ruhen, senkt sich auch bei ihnen die Stoffwechselaktivität, sodass Energiereserven geschützt werden.
Den Winter überdauern – Winterfell, Schlafgemeinschaften, Heizung und Nahrungsvorrat
Dem Wild, das den Winter eher aktiv überdauert, wächst ein dickes Winterfell. Wildschwein, Feldhase, Fuchs, Reh und Hirsch sind durch den besonders dichten Wuchs der Haare vor kalter und nasser Witterung geschützt.
Aber auch winteraktives Wild muss mit der Energie haushalten, da das Nahrungsangebot über Monate knapp bleibt. Gegen das Auskühlen hilft eine Überlebensstrategie der Wildschweine, die sich zusammenrotten und wärmende Schlafgemeinschaften bilden. Bei Rehen und Hirschen senken sich Stoffwechsel und Körpertemperatur. Sie verharren oft bewegungslos an einem Ort, um die Energiereserven zu schonen. Der Dachs, auch wenn er in den Wintermonaten viel schläft, mag es wohlig warm. Er bestückt einzelne Wohnkammern mit Laub, Moosen und Gras. Beim Verrotten dieser entsteht Wärme, die auch dem Nachwuchs, der in den Wintermonaten geboren wird, Schutz bietet.
Eine Überlebensstrategie, die viele Tiere nutzen, ist das Anlegen von Nahrungsvorräten. Diese werden bereits im Herbst fleissig gesammelt und entweder im Unterschlupf gelagert oder an den verschiedensten Orten versteckt.
Wild im Winter schonen und Störungen vermeiden
Um das Überleben der Wildtiere in der Winterzeit nicht zu gefährden, sollten Störungen vermieden werden. Stressige Situationen führen zum vorzeitigen Aufbrauchen der Energiereserven, die je nach Witterung und Nahrungsangebot nicht wieder aufgestockt werden können und im schlimmsten Fall tödlich enden. Generell sind Wildtiere an die Bedingungen kalter Wintermonate gut angepasst. Ist es ihnen möglich, ihre Aufenthalts- und Rückzugsorte frei zu wählen, um dort ungestört den Winter zu überdauern, ist eine Zufütterung normalerweise nicht nötig. Die wichtigsten Punkte im Überblick: